Museum exhibition

Max Leiß: Figurae

Galerie Kabinet T., Zlin, Czech Republic
7 November - 28 December 2019

Curator of the exhibition: Lenka Tutschová

An der ersten Ausstellungswand der Galerie angebracht, fungiert die Hand (2014) aus Holz durch ihre Platzierung als Orientierungselement. Sie ist aber keine zeigende Hand, sondern stellt eine teilweise greifende und ruhende Hand dar. Aus ihrer Gestaltung wird eher die Bedeutung von Beweglichkeit als von sozialer Geste evident. Das Holz ist handbearbeitet. Es handelt sich um eine bildhauerische Information, eine thematische Vorausschau auf die ganze Ausstellung.

Im ersten Raum ist auch das Metallobjekt Adynaton (2018) installiert: Ein Gestänge, dessen Einzelteile mechanisch miteinander verbunden sind. Das Ganze könnte die Bedeutung von nicht realisierter Funktionalität tragen, eine technische Metapher sein. Es liegt auf dem Boden, an die Wand gedrückt. Es bietet eine allgemeine Information über die weiteren ausgestellte Objekte, denen ein breites Potential denkbarer Installationsmöglichkeiten innewohnt. Ein sehr kleines Fragment gleicher Konstruktionsweise (A leftover, 2018), findet man nachfolgend auf dem Boden des Hauptausstellungsraums. Man erkennt die Bedeutung der Gegenseitigkeit der Elemente sowie ihrer Variation innerhalb des Ganzen.

Im Hauptraum der Galerie befinden sich zwei Metallgestelle (Klimax jun., 2019; Klimax sen., 2019). Sie interagieren als horizontale und vertikale Kompositionen miteinander. Es sind spezifische Konstruktionen, die auf die architektonischen Gegebenheiten des Ortes reagieren und mit ihnen kommunizieren. Sie vermitteln die mechanischen Möglichkeiten des Stützens, Ausklappens, Ausbreitens oder Auseinanderziehens. Sie existieren an der Schnittstelle von Mechanischem und Lebendem. Ihre Zweckhaftigkeit ist nicht eindeutig wahrzunehmen, aber man registriert ihre menschlichen Maße und Proportionen. Als würde man sie unterbewusst kennen, obwohl sie nicht in erster Linie als nützlich erscheinen und ihre Verwendung nicht völlig evident ist. Sie lassen sich zusammensetzen, in Bewegung setzen, in ihrer Höhe und Neigung verstellen.

Die Wandskulptur Symploke (2019) sieht aus wie vorgefunden; früher funktionsfähig, hat sie im Lauf der Zeit eine gewisse Patina erhalten. Eine Reihe von Details manifestiert die Möglichkeit ihrer zweckmäßigen Handhabung, ohne diese genauer zu thematisieren.

An der Stirnwand fesselt ein Objekt aus Holzlamellen und Schnüren (Laisser-faire, 2012/19) die Aufmerksamkeit der Betrachtenden, was mit seinem lyrischen Aussehen, seiner Zerbrechlichkeit und geneigten Stellung zusammenhängt. Es besitzt den Charakter eines Wesens, einer Figur. Die Holzlamellen öffnen sich fächerförmig. Dasselbe formale Element nimmt man am auf dem Boden liegenden Drahtobjekt (Selbsthypnose, Vol. II, 2013) wahr.

Die Installation der Objekte wird von einer Hängung analoger fotografischer Abzüge begleitet, schwarzgraue Kompositionen technizistischer Formen auf weißem Untergrund. Ihre Einzelteile erinnern durch formale Momente an einige der ausgestellten Werke und sind in sich auf ähnliche Weise geordnet wie die Ausstellung als Ganzes. Durch ihren Raumcharakter evozieren sie die Atmosphäre eines architektonischen Laboratoriums. Damit korrespondieren zwei Schamottobjekte (Ellipse, 2018; Kyklos, 2018). Das eine wirkt aufgrund einer Komposition geometrisierender Volumen, das andere erinnert in seiner Form an eine Hauswand oder den Ausschnitt eines Grundrisses.

Zuletzt sei das gelbe, zweiteilige, frei auf dem Boden liegende Objekt (Place d'Aligre, 2014) angeführt. Es sieht wie ein Schusterleisten aus. Bei näherer Betrachtung entdeckt man aber das bildnerische Denken seines Autors.

Die Ausstellung als Ganzes wirkt überzeugend. Die einzelnen Elemente/Objekte scheinen genau an ihren Plätzen zu sein. Als handle es sich bei der Präsentation um einen Mechanismus, dessen Teile alle ineinander greifen und ein gemeinsames, visuell funktionales Ganzes bilden. Die Objekte lehnen sich an, hängen, liegen, sind unauffällig installiert. Sie demonstrieren die Zwangsläufigkeit von Arbeitsabläufen, die das Ergebnis eines Zufalls sind.

In diesen Räumen mit minimaler figuraler Morphologie spüren die Betrachtenden dennoch eine menschliche Dimension. Und zwar in der Installationsform, in potenziellen Bewegungen der Teile von Objekten, in zur Manipulation auffordernden Elementen. Die Betrachtenden bewegen sich an der Grenze zweier konzeptueller Sphären; die Elimination des Figuralen verstärkt die Rückwendung zum figuralen Denken.

Die Objekte sind keine definitiven Formen und Kompositionen, sondern bewegliche Mechanismen mit einer unbeschränkten Menge an konkreten Installationen. Mehr oder weniger funktionsfähig, nicht funktionsfähig, angedeutet, unausgesprochen. Innerhalb des unpersönlichen, fensterlosen „White Cube“ wird so ein Milieu für mentale Interaktion geschaffen. Die Betrachtenden bekommen Sehnsucht, das Ganze zu reinstallieren und einzelne Elemente umzustellen.

Ein Akt der Umstellung lag ursprünglich auch dem Phänomen des „Readymade“ zugrunde.Durch das Einsetzen des Gegenstands in den Ausstellungsraum schaffte Marcel Duchamp seine ursprüngliche Funktionsfähigkeit ab. Max Leiß hingegen simuliert die ehemalige Funktionsfähigkeit. Mit bloßem Auge ist es nicht möglich zu erkennen, ob man vor Gefundenem oder Geschaffenem steht.

Einzelne Objekte werden selbstständige Individuen mit eigenem Leben. Sie kommunizieren nicht-ostentativ miteinander. Sie fordern das zuschauende Publikum zu einer lebendigen Teilnahme auf. Es geht um ein intelligentes Spiel, um einen unergründlichen Strom von emotionalen und mentalen Assoziationen.

text: Iva Mladičová

For more information please visit Galerie Kabinet T..

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