- Dates22 January 2023 - 25 February 2023
- Opening receptionSaturday, 21 January 2023, 5:00 pm - 7:00 pm
- Artists
Wie Nervenbahnen wirft Malerei flackernde Striche auf die Leinwand. Gleich daneben hält sie jede klare Silhouette in opakem Gewölk verborgen. Hell und Dunkel lassen Körper aus der Fläche treten, geben ihnen Schlagschatten mit oder beantworten Standort und Grösse eines Baumstamms, einer Krone in gebündelter Energie. Farbe lodert vor laublosem Astwerk, ihre Gegenwart kreuzt ungestüm die Vorstellung eines langsamen, Wind und Wetter ausgesetzten Werdens. Schon lange untersucht Markus Gadient die Natur von Malerei. Dem Motiv des Baums bleibt er treu dabei – da gibt es etwas, was ihn herausfordert, seit er in den 1990er-Jahren den Wald der Eichen in Wildenstein BL für sich entdeckt hat. Während jene stolzen Protagonisten in unterschiedlichen Serien den Duktus seines Schaffens mitbestimmten, testet der Künstler neuerdings die Grenzen seiner Bildformate: Das Verwandeln von Landschaft in einen Erregungszustand ist zum Bühnenraum herangewachsen, der auch Mass nimmt an unserem eigenen Dasein.
Wie weisser Rauch beissen sich trockene Pinselspuren in einen grauen Grund, Rinnsale zeichnen schwarz einen vertikalen Kamm ins Unterholz. Und es ist wie im historischen Film: Das Fehlen von Farbe tut dem Drama keinen Abbruch. Intensiv trägt Schwarzweiss die Beweglichkeit von Licht zur Schau. Grautonige Phasen waren in Gadients Werk bisher meistens der Anfang von etwas Neuem. Wie ein Fotograf, der in der Dunkelkammer das Korn seiner Filme prüft, erkundet der Künstler die nächtliche Seite seines Mediums und lässt die bunte Palette im Grauwert überwintern. Der Verzicht auf Buntwerte schärft den Blick für das irrlichterne Hin und Her zwischen Raum, Körpern und ihrer Umgebung. Umso intensiver kehren Blau, Grün oder Braun dann zurück. Fast halluziniert wirkt ein Boden in Gelb, und das Rot vor einer kahlen Eiche wie eine wütende Alternative zu Laub.
«Die besten Bilder», sagt Markus Gadient, «entziehen sich meinem Plan.» Eine einmal geglückte Geste lässt sich nicht gleich noch einmal wiederholen. Beste Bilder verlangen eine situative Bereitschaft, auch wenn Korrekturen in Öl als Übermalung möglich sind. Nicht zufällig nennt der Künstler seine seit 2018 entstehende Serie grossformatiger Bilder Live-Set-Landscape. Der Maler ist sein eigener DJ: hellwach für die Stimmung einer Komposition, setzt er auf seine Erfahrung und führt Stücke ein, die nicht ohne weiteres zu passen scheinen: So ‹stört› Markus Gadient das Kontinuum seiner Waldlandschaften, nimmt in der Übermalung Verluste hin, um Neues zu gewinnen. Ein Puls will den anderen nicht ausschliessen, mehrere Bewegungen, Licht- und Raumverhältnisse müssen gleichzeitig möglich sein. So entblösst Malerei unser Bild von Natur: Sie ist Erinnerung, Fiktion und Erfindung des Augenblicks.
Isabel Zürcher, Jan. 2023