Museum exhibition

Monica Studer / Christoph van den Berg: Somewhere else is the same place

Kunstmuseum Solothurn, Solothurn, Switzerland
26 November 2005 - 12 February 2006

Das in Basel lebende Künstlerpaar Monica Studer (1960) und Christoph van den Berg (1962) ist mit seinem seit dem Jahr 2000 laufenden Internet-Projekt Hotel Vue des Alpes international bekannt geworden. Von diesem gross angelegten, verschiedene künstlerische Gattungen umfassenden Projekt ausgehend, widmet sich die Ausstellung dem Motiv der Landschaft, das Studer/van den Berg seit einigen Jahren fast ausschliesslich verfolgen. Es ist daher möglich, alle wichtigen Arbeiten der letzten sechs Jahre repräsentativ zu zeigen. Zudem bietet sich in dieser bislang grössten Ausstellung ihres Schaffens eine reizvolle Verbindung zur Tradition der Schweizer Alpenmalerei an, die gerade im Kunstmuseum Solothurn mit Werken von Calame, Frölicher und Hodler besonders gut vertreten ist. Neben bekannten Werken sind viele Arbeiten zu sehen, die noch nie in der Schweiz ausgestellt waren oder eigens für Solothurn geschaffen wurden, wie die interaktiven Computer-Arbeiten Wiese (2005) oder Nebel (2005).

Die symmetrisch angelegten Solothurner Ausstellungssäle eignen sich bestens für einen Parcours, der dem Motiv des Gehens und Wanderns entspricht. Er beginnt im grossen Saal zur Linken mit riesigen Inkjet-Drucken, die in ihrer kinematografischen Dimension und illusionistischen Wirkung das Publikum einnehmen. Im nächsten, abgedunkelten Saal wird dieser Eindruck noch verstärkt, steht das Publikum doch vor der Projektion eines rauschenden Wasserfalls, der dank Computeranimation und Tonspur täuschend echt evoziert wird. Wie in allen Werken lassen Studer/van den Berg aber auch hier die „Fallmaschen“ der Illusion deutlich genug zutage treten, so dass veritable Künstlichkeit und ersehnte Natürlichkeit als Pole aufeinander bezogen bleiben.

Dem Verführt-Werden halten Studer/van den Berg denn auch bewusst das eigenständige Gehen, sprich: Klicken entgegen. Die im dritten Saal gezeigte Arbeit Nebel (2005) ist interaktiv angelegt. Per Mausklick und Curser kann der Ausstellungsbesucher den Weg der Projektion, das scheinbare Irren im Nebel, selbst bestimmen. Mit dieser Arbeit wird klar, dass es nicht nur um Fragen des „schönen Scheins“, sondern um einen Prozess der Einbildung geht, der nicht nur traumhafte, sondern auch existentielle Züge annehmen kann. Die konsequente Beschäftigung mit Illusion und Wirklichkeit ist trotz der technisch kühlen Mittel von emotionalen Aspekten durchdrungen, in denen Sehnsucht und Melancholie eine grosse Rolle spielen. Illusion zeigt sich hier nicht mehr als perspektivisches Mittel zur Steigerung der Bild-Verführung, sondern als eine aus einem Mangel heraus entstehende Traumwelt. Studer/van den Bergs Werke mögen als täuschend echte Abbilder empfunden werden – ebenso sehr aber sind sie Ausdruck unserer virtuellen Zeit, in der das Surfen im Netz zum Ersatz für eine eigentliche Welt-Erfahrung wird.

In den beiden kleineren Nordsälen sind Computer-Stationen eingerichtet, auf denen die Besucherinnen und Besucher die Homepage des virtuellen Hotels Vue des Alpes kennenlernen und sich auf „Wanderungen“ in die alpine Umgebung begeben können. Bei der interaktiven Arbeit Wiese (2005) darf das Publikum frei durch eine blühende Bergwiese streifen. Trotz der blossen Monitor-Dimension des Bildes ist die Vorstellung einer direkten Naturbegegnung gross. Die Macht der Bilder zeigt sich gerade dort, wo diese ihre Künstlichkeit offen legen und uns gleichwohl verführen. In beiden Sälen befinden sich zudem Inkjet-Prints, die in ihrer Grösse und Strahlkraft, aber auch in ihrer Anlehnung an klassische Bildgattungen wie das Stillleben an Gemälde erinnern.

Im langen Quersaal sind die Panorama-Installation Wald (2001) sowie die interaktive Arbeit Gleissenhorn Livecam (2002/2003) zu sehen. In beiden Werken geht es um das Rundbild, das in der Kunstgeschichte seit der Romantik gehäuft auftritt. Zwischen wissenschaftlichem Überblick und sublimer Entrückung hat das Panorama verschiedenen Ansprüchen gedient. In Studer/van den Bergs Wald, der in einem Rundbau eine Waldlichtung zeigt, wird die Vorstellung eines panoramatischen Ausblicks jedoch ad absurdum geführt. Das Moment des Absurden fällt auch bei Gleissenhorn Livecam auf, können hier doch per Computer nicht nur Uhrzeiten, sondern auch Jahreszahlen zwischen 0 und 3000 frei gewählt werden. Die Freiheit der Einbildung (und Eingabe) kann zu offensichtlich „falschen“ Bildern führen. Von einer Luftseilbahnstation im Jahre 0 berichtet kein einziges Geschichtsbuch.

Im grossen Schluss-Saal ist ein Teil des künstlichen Berges zu sehen, der im Schweizer Pavillon der diesjährige Weltausstellung im japanischen Aichi zu sehen war. Als Mitglieder der Projektgruppe Panorama 2000 schufen Studer/van den Berg die Topografie und Oberfläche eines alpinen Geländes in natürlichem Massstab. Obwohl in Solothurn nur ein Bruchstück der monumentalen Bühnenarchitektur gezeigt werden kann, wirkt die Anlage monumental. Auch hier wird der direkte Eindruck jedoch relativiert durch die besondere Präsentation, die mit den hochgezogenen, blanken Seitenwänden an ein riesiges Modell erinnert. Abermals entsteht dadurch eine paradoxe Situation: ein Modell im (nie gesehenen) Masstab 1:1.

Zur Ausstellung erscheint in der edition fink, Zürich, ein zweisprachiges Katalogbuch (D/E) mit vier Aufsätzen und einem umfangreichen Bildteil (Preis Fr. 42.-). Bemerkenswert ist der Einband des Buches, bei dem es sich um einen kleinen Teil der Berg-Oberfläche handelt. Dafür wurden insgesamt 361 verschiedene Ausschnitte gwählt, die jeweils dreimal auf das Originalmaterial gedruckt wurden. Dadurch erhält jedes Buch fast einen Unikat-Charakter.

Christoph Vögele

For more information please visit Kunstmuseum Solothurn.

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Press
Alpenmalerei und Rechnerkunst

by Villö Huszai, Neue Zürcher Zeitung*

Das Künstlerpaar Monica Studer und Christoph van den Berg in Solothurn

Das monumentale Bilderlebnis der Alpenmalerei, gekreuzt mit Computerkultur: Das ist der kühne mediengeschichtliche Kern der Ausstellung «Somewhere else is the same place» im Kunstmuseum Solothurn. Es handelt sich um die bisher grösste Einzelausstellung des Basler Künstlerpaares Monica Studer und Christoph van den Berg.

Wenn Monica Studer und Christoph van den Berg ihre Präsentation im Kunstmuseum Solothurn mit zwei grossformatigen Bildern von Alpenansichten in einem sonst leeren Saal beginnen, dann zitieren sie eine Bildtradition, wie sie exemplarisch Caspar David Friedrichs «Der Wanderer über dem Nebelmeer» von 1818 veranschaulichen kann. Friedrichs Wanderer blickt als kleines Figürchen ganz versunken auf die erhabene Natur zu seinen Füssen. Im neuklassizistischen Kunstmuseum Solothurn, das unter anderem über eine grosse Hodler-Sammlung verfügt, scheint der Verweis auf die Tradition des erhabenen Kunstbildes nahezuliegen.

Virtuelles Hotel

Spätestens auf den zweiten Blick zeigt sich aber die Kühnheit des Auftakts: Studer / van den Bergs Grossbilder sind keine herkömmlichen Ölbilder, sondern bestehen aus jeweils vier aneinander gefügten Inkjet-Prints - Tintenstrahl-Ausdrucken also, wie man sie vom alltäglichen Computer-Gebrauch her kennt.

Welch weitgespannten kunst- und medienhistorischen Brückenschlag Studer / van den Berg vollziehen, zeigt sich am deutlichsten in der Hälfte des Ausstellungs-Durchganges, wo man auf die Internet-Arbeit www.vuedesalpes.com stösst. Das bereits 2001 aufgeschaltete virtuelle Hotel in voralpiner Landschaft ist zum einen Keimzelle der ganzen Ausstellung. Denn so virtuos die medialen Zugänge in der Ausstellung auch variiert werden, so beharrlich umkreisen Studer / van den Berg thematisch das Alpenmotiv und die Frage, wie persönliche Erinnerung und mediale Bilder bei der Wahrnehmung einer Landschaft zusammenwirken. Ausserdem dokumentiert das Projekt Studer / van den Bergs Verbindung zur Netzkultur. Das in Malerei ausgebildete Paar ist schon 1990 auf das Medium Computer umgestiegen und hat sich in enger Zusammenarbeit mit dem Kulturserver www.xcult.org auch auf dieses schwierigste Gebiet innerhalb der Computerkunst gewagt.

In Solothurn zeigen Studer / van den Berg ihr Hotelprojekt offline. Denn auf dem Netz kann die virtuelle Landschaft rund um das Hotel nur erkunden, wer sich online eine Zimmerreservation verschaffen konnte. Was Geduld erfordert, denn momentan ist das Hotel bis 2007 ausgebucht - listiger kann man die weltweite Zugänglichkeit des Netzes nicht konterkarieren. Obwohl sich solche konzeptionell-medientheoretischen Überlegungen im Parcours durch die Ausstellung zuhauf ergeben, sind Studer / van den Berg bildende Künstler und dem Primat des Ästhetischen treu geblieben. An der diesjährigen Weltausstellung in Japan haben sie die Oberfläche des Berges gestaltet, welcher im Schweizer Pavillon gezeigt wurde. Selbst für diese umfangreiche Arbeit haben sie keinen einzigen Grashalm extern machen lassen, denn dann würden sie ja ihr «Kerngeschäft, die ästhetische Gestaltung», delegieren, meinen die zwei Künstler im Gespräch. Studer / van den Berg verbinden autonomen Technologie-Gebrauch mit einem eigenständigen Bildverständnis, eine höchst seltene Kombination.

Der Brückenschlag zur Alpenmalerei kann durchaus mit Witz gepaart sein, wie man ihn in der interaktiven Installation «LivecamGleissenhorn» erkennen mag. Sie bietet eine 360-Grad-Ansicht von einem fiktiven Aussichtspunkt aus, der sich in der Nähe des Hotels Vue des Alpes befindet. Als Teil der Netzplattform ist die Live-Kamera-Simulation ursprünglich fürs kleine und auch intime Bildschirm-Format gemacht. Dies entspricht dem üblichen Einsatz solcher Panorama-Kameraschwenks, die via Fernsehen oder Internet das jeweils herrschende Wetter, zum Beispiel eines Ferienortes, übertragen und dokumentieren. Studer / van den Berg projizieren das vorübergleitende Bild in Solothurn auf eine ganze Saalwand und kehren damit zur ursprünglichen Grossflächigkeit historischer Panoramen zurück.

Der Betrachter im Bild

Nun kann man aber auf einer Leiste am unteren Rand des Bildes via Tastatur das (fiktive) Wetter jedes einzelnen Tages abfragen - wer kann da dem Impuls widerstehen, das Datum des eigenen Geburtstages - oder zumindest jenes des Liebsten einzutippen? Effekt ist, dass sich der Betrachter mit dieser Abfrage selbst ins Bild setzt. Am privaten Bildschirm wäre vielleicht nichts dabei, doch als grossflächige Projektion in einer Museums-Halle? Caspar David Friedrichs stummer Betrachter der Nebellandschaft hat sich unter den Händen Studer / van den Bergs unversehens in eine Plaudertasche verwandelt.

Im letzten Saal ist ein Teil des japanischen Modell-Berges, der fast an die Saaldecke reicht, wieder aufgebaut. Der künstliche Hang versperrt bis auf einen schmalen Durchgang den Ausgang ins Foyer - als wollten Studer / van den Berg ihr Publikum nochmals mit einem ironischen Augenzwinkern dazu anhalten, vor der erhabenen Natur innezuhalten.

*read original NZZ article, 14. Januar 2006

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