Museum exhibition

Maria Magdalena Z'Graggen: Un affare di famiglia

Kunsthaus Grenchen, Grenchen, Switzerland
12 June - 25 September 2022

Maria Magdalena Z’Graggen (*1958, lebt und arbeitet in Basel) ist eine der konsequentesten Malerinnen in der Schweiz. In ihrer Arbeit lotet sie die Möglichkeiten der Farbe als Malstoff wie auch als Licht und Atmosphäre mit Beharrlichkeit, Poesie und grosser Sensibilität aus. Indem sie Farbe auf unterschiedlichste Bildträger aufträgt sowie zu kleinen Skulpturen formt, betont sie das Archaische und Handwerkliche der Arbeit mit Farbe. Als Bildträger verwendet die Künstlerin meist Holztafeln, die sie mit altmeisterlicher Präzision grundiert und auf die sie eine erste Farbschicht legt. Die Farbe wird anschliessend mit dem Spachtel aufgetragen – eine Technik, die zu höchster Konzentration auf den Malakt zwingt. Es entstehen Bilder, in denen das Gegenständliche und das Abstrakte verschmelzen. Die Farben sind dabei Form und Inhalt zugleich. Die Gemälde verweisen nicht auf Gegebenheiten ausserhalb ihrer selbst – denn das Bild selbst ist das Ereignis. Mit diesem Zugang zur Erforschung der Materialität und der Wirkung von Farbe leistet Maria Magdalena Z’Graggen einen wichtigen Beitrag zur zeitgenössischen Kunst in der Schweiz. In der Ausstellung im Erweiterungsbau zeigt Maria Magdalena Z’Graggen eigens für die Ausstellung entstandene Gemälde sowie erstmals die «Zurli» – eine Reihe von Skulpturen.

For more information please visit Kunsthaus Grenchen.

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Maria Magdalena Z’Graggen — Malerei wie das Leben

by Isabel Zürcher, Kunstbulletin*

Im Kunsthaus Grenchen zeigt Maria Magdalena Z’Graggen neue Bilder. Wie Angehörige derselben Familie haben sie bei gleicher Grundlage ungleiche Temperamente. Am Rande der konzentrierten Arbeit im Grossformat entlädt sich im Kleinen ein Irrsinn – heiterer Tanz von Nebenprodukten, Auftritt purer Fantasie.

Grenchen — Über Monate hat sich die neue Bilderreihe für die Ausstellung im Kunsthaus Grenchen aufgebaut. Mit allen Unabsehbarkeiten, mit angespannter Vorfreude auch. Zu Neujahr hingen weiss grundierte Holztafeln an den Atelierwänden. Acht Grossformate, bedeckt mit geschliffenem Gesso und getränkt von einer Vorstellung, die drei Ebenen gleichberechtigt miteinander in Kontakt bringen will. Da ist ein Grundton. Mit breitem Pinsel aufgetragen, gibt je ein Klang jeder Tafel ihre Basis und Energie. Einmal getrocknet, folgt eine Schicht in Öl. Ein Spachtel drängt das schwerere Material in die Fläche, bevor im dritten «Akt» eine einmalige Geste mehrere Pigmentspuren in die noch weiche Farbschicht zieht.

Es gibt keine Probe in diesem Farborchester. Rasch entscheidet Öl über Gültigkeit oder Ausschluss, Nass in Nass sind Korrekturen so gut wie ausgeschlossen. Vom Widerstand, von der Breite und vom momentanen Druck des Spachtels hängt ab, wie Farbe sich von der Wulst in die Fläche mitnehmen lässt. Dabei wird sichtbar: Pigmente haben mehr als eine farbliche Intensität. Sie lassen auch ihr physikalisches Temperament aus an der Malerei, haften mehr oder weniger auf dem vorbereiteten Grund, wollen überlistet werden, erzeugen Risse oder verschenken sich an ihre Nachbarschaft in sämiger Glätte. Maria Magdalena Z’Graggen anerkennt den Eigensinn der einzelnen Pigmente und weiss, dass ihr Material ziemlich macht, was es will. Erfahrung zählt, doch kann Farbe jede vorgefasste Idee zum Scheitern bringen. Das in Vorbereitung der neuen Serie entstandene Logbuch der Künstlerin konnte also Farbkonstellationen nur auf Zusehen hin anlegen. Zuletzt bleibt Malerei ein Abenteuer, die Frucht des unerschrockenen Ausprobierens: Wie reagieren Aggregatzustände aufeinander? Welche Kombination von Grund und Motiv, von Warm und Kühl erzeugt jene Bewegung, die jede abschliessende Übersicht auf Dauer unterlaufen kann?

Wie Fremdlinge im eigenen Land kommen neue Bilder an im Atelier, während sich am Rand der konzentrierten Arbeit Reste sammeln: Langsam trocknende Wulste an Pigment, Farbmuster auf Papier, Abschnitte von Schablonen, in Gesso erhärtete Schnur. Seit einigen Jahren schon formieren sich solche Nebenprodukte von Z’Graggens Malerei zu autonomen Figurinen und bilden kokett ihren eigenen Cortège aus. In Grenchen sind sie erstmals ausgestellt. So entlädt sich die Hochspannung, die den Balanceakt zwischen Entscheiden und Geschehenlassen im Grossformat begleitet, in skurrilen Marginalien. So lacht Malerei über sich selbst. 

*read original Artlog article, July-August 2022

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Lebendig gewordene Farbe

by Helen Lagger, Bieler Tagblatt*

Ausstellung Ihre abstrakten Bilder wirken kontemplativ, die eigenwilligen Skulpturen anarchistisch:
Das Kunsthaus Grenchen präsentiert «Un affare di famiglia» von Maria Magdalena Z’Graggen.

An Anfang war der Kreis. Zumindest in der Malerei hat das Symbol der Einheit nebst der Linie schon immer eine wichtige Rolle gespielt.

Der Kreis ist denn auch das erste, dass einem ins Auge sticht, wenn man die Ausstellung «Un affare di famiglia» der Künstlerin Maria Magdalena Z’Graggen im Kunsthaus Grenchen betritt. Das Gemälde «#1380122 Uadf (Zirkon-Cölinblau)» aus dem Jahr 2022 besteht, wie der Name sagt, aus blauer Fläche und einem Kreis aus Gelb, Schwarz und Weiss. Tritt man näher an das Gemälde heran, erkennt man, dass es mehrschichtig ist. Hinter der blauen Fassade kommt vereinzelt ein leuchtender Orangeton zum Vorschein.

Flächen begegnen sich

Maria Magdalena Z’Graggen, die 1958 in Basel geboren wurde, arbeitet oft in Serien, wobei Texturen in ihrer Arbeit eine wichtige Rolle spielen. «Jedes Bild hat eine Untermalung, wobei eine transparente, lasierende Fläche einer soliden Fläche begegnet», erklärt sie anlässlich der Vernissage vom vergangenen Samstag. Geht es ihr darum, den Malprozess offenzulegen? «Ich verstecke ihn zumindest nicht», so die Künstlerin.

Z’Graggen wuchs in Basel in einer binationalen Familie auf, wobei die Mutter aus Triest und der Vater aus Affoltern a. A. stammt. Nachdem sie im Projektmanagement einer Grossbank gearbeitet hatte, besuchte sie in den Neunzigerjahren die Fachklasse für Malerei an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel. Sie absolvierte ein Austauschjahr in New York an der Cooper Union School of Art und erhielt ihre erste Einzelausstellung 1998 in der Roger Smith Gallery.

«Die Malerei wurde schon oft totgesagt und in Frage gestellt», beginnt Claudine Metzger, künstlerische Leiterin am Kunsthaus Grenchen, ihre Eröffnungsrede. Und schiebt nach: «Maria Magdalena Z’Graggen hat sich bewährt, weil sie sich behaupten musste.» Die Malerei habe gerade in einer digitalisierten Welt wieder eine besondere Bedeutung, weil sie eine sinnliche Erfahrung sei.

Metzger bezeichnet Z’Graggen als «eine der konsequentesten Malerinnen» der Schweiz. Tatsächlich gibt es zahlreiche, die das Medium weit kühner ausloten: Miriam Cahn, Valérie Favre, Klodin Erb oder Inka ter Haar – die Liste «konsequenter» Schweizer Malerinnen ist lang, weshalb dieses Etikett nicht greift. Malerei war nie tot und auch nie nur männlich, auch wenn viele Frauen der Gegenwart – teils bewusst um sich von den sogenannten Malerfürsten abzugrenzen – andere Medien wählten.

Z’Graggen nimmt eine eher unaufgeregte Position ein, wobei bei ihr die Farbe selbst zum Hauptakteur wird. Sie malt grossformatig auf Holz, wobei die Wahl des Trägers Teil des Gestaltungsprozesses ist. Die letzte Farbschicht trägt sie mit einem Spachtel auf, «alla prima», eine Technik, die keine Korrekturen erlaubt.

Spontan und spielerisch

Während die Malerei, die mit harmonischen Kompositionen und komplementären Farbkontrasten zur Kontemplation anregt, fast schon allzu klassisch modern daherkommt, offenbart die Künstlerin mit den sogenannten Zurli ihre spielerische, anarchistische Seite. Auf einem langen Holztisch, der an ein Bankett denken lässt, präsentiert die Künstlerin kleine Skulpturen, die sie ihrem zweiten Familienzweig aus Italien widmet und worauf auch der Name der Schau – «Un affare di famiglia» – anspielt.

Es sind krude, aus Löffeln, Baumwolle, Blech, Schnur, Gesso, Porzellan, Holz und Ölfarbe gestaltete Objekte, denen die Künstlerin Namen aus der eigenen Familie verpasst hat. Rachele, Umberto, Pino oder Giulia faszinieren mit Witz und Eigenwilligkeit, sind kleine Persönlichkeiten. Eines der Objekte besteht aus reiner Farbe und erinnert an ein reichlich mit Schlagsahne dekoriertes Dessert, das in der Sonne stehen gelassen wurde. Ein Objekt, das mit seinen zarten Blau- und Rosatönen an die Malerei des Spätbarocks erinnert, als die an Höfen grassierende Lebenslust sich in einem herrlichen «Mehr ist mehr» offenbarte.

Parallel zu Z’Graggens Schau präsentiert das Kunsthaus Grenchen mit «Form, Farbe, Schrift – Konkrete Kunst aus der Sammlung Liliane Beck-Barbezat (Teil 1)» Acrylarbeiten auf Papier und verschiedene Serigrafien.

Erstmals ausgestellt

Die Sammlung, die 2014 ans Kunsthaus kam, wird nun zum ersten Mal ausgestellt. An die kühle, von Emotion befreite konkrete Kunst knüpft Z’Graggens Malerei nur punkto Liebe zur Geometrie an. Die Farbe hingegen wird bei der Malerin sinnlich und plastisch eingesetzt, bei den «Zurli» sogar figürlich-kreatürlich zum Leben erweckt.

*read original Bieler Tagblatt article, 13 June 2022

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