Monica Studer und Christoph van den Berg im Kunsthaus Baselland

by Samuel Herzog
Kunstbulletin
6.2001
Deutsch

Noch sind die Zimmer nicht bereit, doch was man dereinst im Hotel «Vue des Alpes» für baren Strom bekommen wird, davon gibt jetzt schon die Ausstellung «Templates» in Muttenz eine Ahnung.

Noch ist es nicht ganz fertig gebaut, das Hotel «Vue des Alpes». Die Eingangshalle sieht zwar – inklusive Kunstschmuck – schon ganz ordentlich aus, die Lampen aus den sechziger Jahren hängen in der Lounge über einladenden Sofas und auf der Terrasse stehen jene farbigen Blechtische und Stühle zur Benutzung bereit, die mehr noch als alle Berge zentralhelvetische Ferienatmosphäre verbreiten. Auch Aschenbecher sind schon da, bloss Zimmer gibt es noch keine, in denen wir unsere wandermüden Knochen hinstrecken könnten. Allerdings ist auch die Aussicht, die «Vue des Alpes», derentwegen wir überhaupt hier würden logieren wollen, noch nicht ganz fertig gebaut: Zwar können wir von der Terrasse aus ins Tal hinunter steigen, bis hin zu einem grünlich sumpfigen Teich und weiter an einem plätschernden Brunnen und einer Baustelle vorbeiklettern, wo dereinst eine Seilbahnstation stehen wird. Dann jedoch geht’s unweigerlich zurück ins Hotel.Das Netzprojekt «Vue des Alpes» von Monica Studer (*1960) und Christoph van den Berg (*1962) ist ein «work in progress», das seinen Anfang vor gut einem Jahr nahm und zunächst zu jener digitalen Landschaft rund um eine Hütte an den Ufern eines Bergsees führte, die im Rahmen des letzten Eidgenössischen Wettbewerbes erstmals zu sehen war. Seither «baut» das Basler Künstlerpaar an einer rund 20 Quadratkilometer grossen, dreidimensionalen Landschaft im Netz und an einem Hotel, in dem man dereinst auch wird Zimmer beziehen können. Optisch könnte die Landschaft einer alpinen Gegend irgendwo in der Schweiz nachempfunden sein – klimatisch nicht ganz, denn hier herrscht das ganze Jahr hindurch eine Temperatur von 24 Grad und im Bergsee lässt sich jederzeit baden. Was sich auf dem Netz selbst im Moment noch vor allem via Text vermittelt (http://www.vuedesalpes.com), präsentiert sich in der aktuellen Ausstellung der Künstler im Kunsthaus Baselland ab Festplatte schon erheblich fortgeschritten.Nun macht aber eine Festplatte, auch mit Prozessor, Bildschirm etc. noch lange keine Ausstellung aus – vor allem nicht in einem riesigen Gebäude wie diesem Kunsthaus. Wie schon mit der eidgenössisch gekrönten Hütte, die übrigens auch in Muttenz zu sehen ist, haben Studer/v d Berg erneut eine elegante Lösung gefunden: Sie haben mittels grossen Ausdrucken einzelne Bereiche aus ihrer Landschaft zu Panoramabildern, andere zu begehbaren Panoramen umgesetzt. So treten wir etwa in einen dunklen Wald und blicken plötzlich durch Tannenäste auf unser Hotel. Oder wir gelangen im letzten Raum der Schau an ein mehrere Quadratmeter grosses Stück Ufer jenes Gewässers, dem wir zuvor schon auf dem Bildschirm begegnet sind: Ein wenig schlammiges Wasser, ein paar Steine und dann plötzlich nur noch Weiss. Irgendwo hat ein Ufer eben auch seine Grenzen, genauso wie eine virtuelle Landschaft und genauso wie die Ausstellung, die hier zu Ende geht. Fast grenzenlos ist einzig unser Erstaunen darüber, dass es uns diese Landschaftsfragmente so leicht machen, Sehnsüchte und Phantasien an ihnen zu entwickeln – liegt es vielleicht daran, dass uns gerade ihre nicht forcierte, aber auch keineswegs kaschierte Künstlichkeit die nötige emotionale Freiheit dazu gibt?

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Cover Image: Monica Studer/Christoph van den Berg, Terrasse, 2000, Thermo-inkjet print on fotopaper on aluminium, 120 x 270 cm