Peter Friedl

by Raimar Stange
Artist Kunstmagazin
Mai-Juli 2018, Nr. 115
Deutsch

Zwei Jahre später greift Peter Friedl erneut auf das Prinzip der scheinbaren Affirmation zurück und schreibt aggressiv als »agent provocateur« die Worte »Kill and Go« in elektronischer Leuchtschrift, eingebettet in den Strom von Werbebotschaften und in den österreichischen Landesfarben Rot und Weiß, auf einem riesigen kommerziellen Werbedisplay. Der Spruch »Kill and Go«, der an die politisch motivierte Ermordung von vier Roma 1994 im oberösterreichischen Ort Oberwart erinnert, war so monatelang zu sehen auf einem Wohnhaus, das ausgerechnet am Europaplatz in Österreichs Hauptstadt Wien steht. Später wurde dieses Motiv in einem Video vom Künstler »dokumentiert«. Das Moment der zynischen Überaffirmation also prägt scheinbar auch die Installation »Kill and Go«, 1995, wiederholt diese (Sprach)Arbeit doch die lauthalse und gewollt inhumane Logik ausländerfeindlicher Rhetorik, um sie dann aber gerade durch die gezielte Übernahme kritisch offenzulegen.

Kriminell, wenn man so will, geht es auch in Friedls Wandinstallation »Ohne Titel (brothers in crime)«, 1998, zu: Auf blauem Grund ist an der linken Seite der von Friedl bemalt-beschrifteten Wand ein grünes »b« zu lesen, rechts daneben in deutlich kleinerer Schrift »brothers in crime«. Das »b« zitiert mit seiner Typographie eben das »b«, mit dem die 1. Berlin Biennale 1998 für ihre Ausstellung geworben hat, »brothers in crime« ist der Titel eines ein Jahr zuvor erschienenen, damals recht kontrovers diskutierten Buches des deutschen Soziologen und Publizisten Wolfgang Pohrt. In diesem beschreibt Wolfgang Pohrt, wie sich unsere Gesellschaft zu einem von rivalisierenden Banden und Cliquen dominierten Ensemble entwickelt hat. Die vom Künstler unkommentierte Nebeneinanderstellung beider sprachlichen Formulierungen stellt, den Inhalt von Pohrts Buch (leicht) verschiebend, eine lakonisch-provokante Beurteilung des Status Quo des Betriebssystems Kunst dar, die dank ihrer graphisch perfekten Gestaltung sich dennoch bewusst nahtlos - und ausweglos? - in den damals angesagten Stil von sich als diskursiv-engagiert verstehender Installationskunst einreiht.

Sprache, ihr Verstehen und der Umgang mit ihr spielen in Peter Friedls künstlerischem Tun immer wieder eine wichtige Rolle, wie ich anschließend am Beispiel von zwei neueren Arbeiten des Künstlers darlegen möchte. Also sei zunächst die Aufmerksamkeit auf Friedls »Teatro Popular«, 2016 – 2017, gerichtet. In dieser Arbeit, konzipiert zunächst für den Lissaboner Ausstellungsraum »Luniar Cité«, greift der Künstler auf das formale Vokabular des portugiesischen Straßentheaters »Dom Roberto« zurück. Diese heute beinahe vergessene Form des Puppenspiels nutzt als Bühne sogenannte »barraca«, also einfache, mit Stoff verkleidete Holzkonstruktionen, in denen ein allein agierender Puppenspieler versteckt ist. Über seinem Kopf lugen dann die von ihm bewegten Puppen für sein Publikum sichtbar nach draußen. Gespielt werden im »Dom Roberto«-Puppentheater von Wiederholung und Typisierung geprägte volkstümliche Stücke. Peter Friedl nun hat für sein »Teatro Popular« vier barraca-Prototypen konstruiert, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie ohne Werkzeuge auf- und abgebaut werden können. Die verwendeten Stoffverkleidungen, die TEXTilien hierfür kommen nicht wie eigentlich üblich aus Portugal, sondern aus Brasilien – bereits jetzt kündigt sich Kolonialgeschichte an. Auch die Handpuppen hat Peter Friedl selbst entworfen und dabei ein denkwürdiges, nur auf den ersten Blick disperses Figurenensemble zusammengestellt, dessen Akteure alle aus unterschiedlichen Jahrhunderten, Kontinenten und gesellschaftlichen Sphären stammen. Dazu gehören u. a. der die Meeresschifffahrt revolutionierende Astronom Abraham Zacuto (1452 – ca. 1515,) dann General António de Spinola (1910 – 1996), der erste Übergangspräsident der Dritten Portugiesischen Republik und z. B. auch Bonga, ein bekannter angolanischer Popmusiker unserer Tage. Hinzu kommen fiktive Persönlichkeiten wie die von Ingrid Bergmann gespielte »Ilsa Lund« aus dem Filmklassiker »Casablanca«, 1942, ein Teufel und ein Elefant. Die insgesamt 22 Puppen lassen ein vielschichtiges Netz aus historischen, selten in Zusammenhang gebrachten Referenzen entstehen – und dennoch verweigern sie letztlich das Sprechen, liegen sie doch verteilt auf den vier barracas, werden also von keinem Puppenspieler in Aktion versetzt. Keine theatralische Inszenierung findet da jemals statt, kein Stück wird entwickelt. Erneut also ereignet sich hier eine produktive,wenn man so will ideologiekritische Spannung von vorgegebenen sprachlichen Mustern - hier das Puppentheater-Modell »Dom Roberto« - und der Artikulation neuer Semantiken, die bei Peter Friedls »Teatro Popular« zwar deutlich angedeutet werden, letztlich aber doch unausgesprochen bleiben.

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Cover Image: Kill and Go, 1995, Elektronische Leuchtschrift, Europaplatz Wien, Courtesy der Künstler, Foto: Peter Friedl