Ein Blick aufs Innere der Menschen

by Roswitha Frey
Badische Zeitung
1 February 2021
Deutsch

Die Künstlerin Katharina Kemmerling aus Bad Säckingen drückt auf abstrakte Art das Innenleben eines Körpers aus

BAD SÄCKINGEN. Für die junge Künstlerin Katharina Kemmerling aus Bad Säckingen war das Corona-Jahr eine große Herausforderung. Doch sie hat in der Krise auch eine kreative Chance gesehen. Trotz der schwierigen Umstände konnte sie im vergangenen August ihren Master-Abschluss in freier Kunst an der Hochschule für Kunst und Gestaltung
in Basel machen.

Nun hat sie es sogar geschafft, ihre zweite Ausstellung in der Basler Galerie Nicolas Krupp aufzubauen, die bis 6.März dauert und aufgrund der Lage nur nach Anmeldung von Einzelpersonen besichtigt werden kann. In einer Rauminstallation mit drei großen Wandteppichen und drei keramischen Objekten greift die 34-Jährige das Thema Corona auf spezielle Weise auf. Sie entwirft in verschiedenen Materialien ein Universuman Formen, diemit Organen und Zellen zu tun haben. Auf experimentelle und abstrakte Art drückt Katharina Kemmerling das Innenleben eines Körpers aus.

Dass sich die Künstlerin dem Material Textil zugewandt hat, ist „aus der Not geboren“, wie sie erzählt.Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020, als die Grenzen geschlossen waren, konnte sie nicht wie gewohnt in der Werkstatt der Hochschule an ihren großen Keramikobjekten arbeiten. Nur Online-Studium war möglich. Daraufhin plante Katharina Kemmerling für ihre Master-Arbeit um. Sie gestaltete einen Wandteppich aus textilen Materialien, in den sie kleine keramische Objekte eingewoben hat. Dieses textile Schaffen bildet auch die Basis für die neue Installation in der Galerie Krupp. Der Galerist habe ihre Master-Arbeit im Sommer in der Ausstellung im Kunsthaus Baselland gesehen und sei beeindruckt gewesen. Daraufhin habe er sie eingeladen, bei ihmauszustellen.

Unter den Einschränkungen und sich verschärfenden Regeln an den Objekten zu arbeiten, war für die Künstlerin in den vergangenen Wochen und Monaten schwierig.Wegen der geschlossenen Baumärkte kam sie nicht so einfach an benötigte Sachen heran, die sie zum Aufbauen und Hängen der Stücke braucht. Die Textilarbeiten konnte sie nicht im Atelier in Basel anfertigen, in dem sie ihre keramischen Objekte herstellt, „weil der Staub den Textilarbeiten zusetzt“. So entstanden die Wandteppiche in Kemmerlings Wohnung in Bad Säckingen. Zugute kam ihr, dass ihre Tante inWehr einWoll- und Handarbeits-Geschäft führt und ihr mit textilem Material aushelfen konnte.

Für die Wandteppiche hat sie verschiedene Werkstoffe von Schurwolle über Seidenfäden und groben Fäden bis zu Latex benutzt. Diese Teile hat sie in Handtechniken wie Weben, Knüpfen, Häkeln und Perlenstickerei zusammengenäht. „Ich hatte die Zeit, mir intensiv ein neuesMaterial anzueignen“, begreift es Kemmerling als Chance, in der Krise neue künstlerische Wege zu finden.

Den verstörenden Bildern des Virus, mit denen die Menschen seit fast einem Jahr konfrontiert sind, setzt Katharina Kemmerling in ihren künstlerischen Arbeiten einen „ganz anderen Blick“ auf das Innere des Menschen entgegen. In den Wandteppichen stellt sie das eng verwobene Zusammenspiel der Organe und das Zell-Geschehen im Körper dar und zeigt ,wie komplex diesemiteinander verbunden sind. „Ein Körper voller Leben, der wie ein Raumschiff über der Erde schwebt“, vergleicht sie es. Ihre keramischen Skulpturen, die mit Autolack überzogen sind, „spiegeln die Abstraktheit der Organe wider“, schreibt Kemmerlings frühere Professorin Chus Martinez im Begleittext zur Ausstellung.

Seit Abschluss ihres Masterstudiums kann Katharina Kemmerling im Bildhaueratelier ihres ehemaligen Lehrers Matthias Frey in Baselmit arbeiten.Das ist für die freischaffende Künstlerin eine gute Übergangslösung. Doch ihr Ziel ist es, in ihrer Heimatstadt Bad Säckingen einen Atelierraum zu finden: „Es wäre schön, hier ein Standbein zu haben.“

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Cover Image: Blick in die RauminstallationmitWandteppichen und keramischen Objekten der Bad Säckingerin Katharina Kemmerling in der Galerie Krupp in Basel.